Am 14. Februar 2022 haben zwei anerkannte Naturschutzverbände eine Pressemitteilung zum Ostfeld veröffentlicht. Sowohl HGON als auch BUND bezweifeln den Bedarf an Wohnraum in Wiesbaden. Dieser Bedarf ist die zentrale Begründung für die Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) Ostfeld/Kalkofen.
Besonders wichtig ist die vorgelegte Beurteilung zum Bedarf an Wohnraum in Wiesbaden. HGON und BUND weisen sehr ausführlich nach, welche Fehler die Stadt Wiesbaden in diesem Zusammenhang macht. Diese Ausarbeitung hat fast 30 Seiten und enthält zahlreiche Tabellen.
Pressemitteilung HGON/BUND Wiesbaden vom 14. Februar 2022
Naturschutzverbände sehen Bedarf für die Bebauung des Ostfelds nicht belegt
„Die Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Wiesbaden bestreiten nach einer Analyse der zur Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM) Ostfeld vorgelegten Bevölkerungs- und Wohnflächenbedarfsprognosen den Bedarf für einen neuen Satelliten-Stadtteil im Wiesbadener Osten.
Jürgen Hübner von der HGON Wiesbaden erklärt: „Aus den Prognosen lässt sich kein erhöhter Wohnraumflächenbedarf für die nächsten 20 Jahre belegen. Der von der Stadt 2019 für den Aufstellungsbeschluss zur SEM und 2021 zum dafür durchgeführten Zielabweichungsverfahren angegebene Bedarf bis 2040 von 32.589 Wohnungen ist als Nachweis in diesen Verfahren unzutreffend. Es ist dringend erforderlich, die bislang verwendeten Wohnungsbedarfszahlen richtig zu stellen. Für die zukünftige Stadtentwicklung und den erforderlichen Wohnungsbau braucht es transparente und gesicherte Grundlagen, an denen sich städtische Gremien und die Öffentlichkeit verlässlich orientieren können.“
HGON und BUND kommen nach einer detaillierten Auswertung der Prognosen zu dem Ergebnis, dass in den Jahren 2021 bis 2040 Flächen für nur etwa 16.000 Wohnungen benötigt werden. Dem stehen bereits in der Planung oder Umsetzung befindliche Projekte für mehr als 13.300 Wohneinheiten gegenüber (Stand: Oktober 2021), dokumentiert in den jährlichen Berichten des Baudezernenten. Werden die im Zielabweichungsverfahren zum Ostfeld untersuchten Alternativflächen addiert, erhöht sich das Gesamtpotential der Wohnbauflächenentwicklung auf gut 22.000 WE. Dazu kommen noch Nachverdichtungen und Konversionen.
Ein neuer Stadtteil am Fort Biehler werde, so die Verbände, eher über die zu erwartende Nachfrage hinaus weiteren Zuzug von Pendlern erzeugen, die außerhalb Wiesbadens arbeiten. Ob man dieses Wachstum wolle, sei eine politische Entscheidung. Ein lokaler Bedarf in dieser Größenordnung sei aber weder aus den vorliegenden Prognosedaten noch aus dem schwachen Bevölkerungswachstum der letzten Jahre abzuleiten.
„Angesichts des nach wie vor fortschreitenden Flächenverbrauchs und angesichts der weiteren Umweltrisiken, die mit den Ostfeld/Kalkofen-Planungen verbunden sind, wehren wir uns als Naturschutzverbände dagegen, wertvolle Freiflächen für ein Projekt zu opfern, dessen Notwendigkeit nicht zweifelsfrei belegt ist“, so Marion Semelka vom BUND Wiesbaden.
Ohnehin sei es für die Verbände fraglich, ob auf dem vertraglich begrenzten Bauareal von 67,5 ha tatsächlich die erhoffte Anzahl von 8.000 bis 12.000 Wohnungen realisierbar seien und damit das Konzept eines eigenständigen urbanen Stadtteils aufgehe. Probleme bereiten könnten die stadtklimatischen Anforderungen sowie der Fluglärm der benachbarten US-Airbase, durch den sich die bebaubare Fläche und damit die Anzahl der Wohnungen deutlich verkleinern könnte. Zu beiden Themen lägen bislang keine belastbaren Untersuchungen vor.
Mehr Infos:
Ein ausführliches Hintergrundpapier mit einer detaillierten Analyse der in den Voruntersuchungen zur Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme Ostfeld zugrunde gelegten Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung und zum Wohnraumflächenbedarf sowie eine Aufstellung zum aktuell bekannten Stand der Potentiale für die Wohnbauflächenentwicklung ist hier abrufbar:
Rückfragen an: Jürgen Hübner (HGON Arbeitskreis Wiesbaden/Reingau-Taunus)
Hintergrundpapier: Bedarf an Wohnraum viel geringer
Hintergrundinformationen und Analysen der zur Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM) Ostfeld zugrunde gelegten Wohnungsbedarfsprognosen
Von Seiten der als Projektentwicklerin beauftragten SEG und dem Baudezernat der Landeshauptstadt Wiesbaden wurde das Stadtentwicklungsprojekt Ostfeld/Kalkofen sowie die zugehörige städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) Wiesbaden die geplante Stadtentwicklungsmaßnahme im Ostfeld damit begründet, dass in Wiesbaden 32.589 Wohnungen (bzw. Wohneinheiten = WE) fehlen würden.
Die Naturschutzverbände BUND und HGON halten diesen Bedarf für zu hoch angesetzt für eine irreführende Behauptung und Sie kommen nach einer eigenen Auswertung der vorliegenden Wohnungsbedarfsprognosen zu dem Ergebnis, dass der tatsächliche Wohnungsbedarf in den kommenden beiden Jahrzehnten wesentlich geringer anzunehmen ist und mit dem heute bereits bekannten Wohnbauflächenpotential sowie Nachverdichtungen und weiteren Potentialen wie z. B. Konversionen auch ohne einen neuen Stadtteil „Ostfeld“ befriedigt werden kann.“
Weiterhin sei auf ein Papier des Amts für Statistik und Stadtforschung, Wiesbaden, hingewiesen: Stellungnahme zu aktuellen Wohnungsbedarfsschätzungen für die LH Wiesbaden Oktober 2018, in: Zusammenstellung Gutachten und Zwischenergebnisse im Projekt Ostfeld_Stand Dezember 2018.pdf, 18.12.2018, PDF-S. 88-98, hier: Auszug 11 Seiten + Deckblatt.
Mehr über die Position des BUND Wiesbaden zum Ostfeld: https://bund-wiesbaden.de/ostfeld-kalkofen/